Trump, bestimmte „Evangelikale“ und mein Glaube
Es waren nur wenige Sekunden, so lang, wie ein filmischer Nachrichtenbeitrag eben im Schnitt so ist. Meine erste Reaktion war ein Blick zur Seite zu meiner Frau, die wie immer rechts von mir saß. Ihr Gesicht verriet die gleiche Fassungslosigkeit wie sie wahrscheinlich auch auf meinem geschrieben stand. Übereinstimmend verrieten uns unsere Blicke gegenseitig, dass jeder von uns sich fragte, ob wir das eben wirklich gesehen hatten, was da offensichtlich unleugbar vor unseren Augen die Dreistigkeit hatte, sich abzuspielen.
Das beste Landesoberhaupt aller Völker und aller Zeiten saß da mit geschlossenen Augen, also voller Ergriffenheit, und um ihm herum standen Menschen beiderlei Geschlechts, legten ihm ihre Hände auf und sprachen Worte, die der Grund für unsere Verwirrung waren. Der Sprecher benannte sie als „evangelikale“ Pastoren, und da sie Zugang zum Präsidenten hatten, mit einer körperlichen Nähe, die sicher nicht jedem Menschen gewährt wird, darf man ihnen sicher einen gewissen Einfluss unterstellen, kann daher das, was sie taten und sagten, nicht als das Wirken einer unbedeutenden Sekte einstufen.
Was also war das, was uns so in Erstaunen versetzte? Ihre Worte. Sie dankten ihrem „heavenly father“ für diesen Präsidenten, was bedeutet, dass sie voraussetzten, Gott persönlich habe dem amerikanischen Volk jenen Mann als Geschenk dargebracht. Und sie dankten ihm, also Gott, für dessen glorreiche Heldentat, als hätte er - also Herr Trump - sie höchstpersönlich vollbracht. Er hatte erfolgreich dafür gesorgt, dass ein ausgewiesener Feind aller freiheitlich denkenden Menschen ausgelöscht wurde, im Sinne von ermordet.
Natürlich wird in der Öffentlichkeit allgemein und besonders in den Medien darüber diskutiert, ob dieses Vorgehen völkerrechtlich in Ordnung war. Man kann ja auch, allgemein gesprochen, nicht im Blick auf die Auseinandersetzungen unter den Nationen und Völkern, die durch die gesamte Geschichte hindurch immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen geführt haben, einfach seine Waffen verschrotten und rufen „Peace!“. Es gibt zu viele Menschen, vorwiegend Männer, aber das will nichts heißen, die schon im Sandkastenalter Machtfantasien entwickelt haben, andere um sich scharten, die sich dankbar in ihrem Glanz sonnten, und mit dieser sich potenzierenden Ausstattung erwachsen geworden sind, ohne jemals wirklich erwachsen geworden zu sein.
Aber es geht mir weder um Trump noch um den Militarismus überhaupt, der in einer Welt, die insgesamt ihre Rechnungen ohne den Wirt macht - nämlich dem wahren Eigentümer weil Schöpfer der Erde -, augenscheinlich notwendig ist.
Meine Frage: Was haben Leute, die angeblich den Friedensfürsten vertreten, damit zu schaffen, einem Menschen, der alles andere ist als ein Förderer des Friedens, segnend und beglückwünschend voller Dankbarkeit gegenüber Gott, die Hände aufzulegen? Dieses Verhalten hat für mich die gleiche Qualität, wie das anbiedernde Vorgehen deutscher Kirchenvertreter im Dritten Reich, die sich, eifrig Hände schüttelnd, oder selbige zum Segen erhebend, mit dem Führer ablichten ließen. Und natürlich sind auch die nur exemplarisch, denn solche Bilder sieht man allüberall auf unserem leidgeplagten Globus auch heute noch.
In früheren Zeiten haben sie Kaiser und Könige nicht nur gesegnet, sondern ihnen auch gern höchstpersönlich zur Macht verholfen, weil eine Hand schon immer gern die andere gewaschen hat. Heute müssen sie froh sein, wenn sie noch geduldet sind. Außer natürlich in Amerika, wo so mancher Präsident die Wahl für das hohe Amt ohne Beistand der selbsternannten „bibeltreuen Christen“ nie gewonnen hätte.
Ich weiß wohl, dass das, was ich hier schreibe, etwas oberflächlich ist, weil man natürlich an solche Fragen wesentlich differenzierter herangehen muss. Es ist mir aber eine große Hilfe bei meinem schon lange in Arbeit befindlichen Versuch, anhand eines realen Beispiels die Gründe für meine Zweifel zu erklären. Ich zweifle nämlich nicht an Gott, auch wenn ich große Schwierigkeiten habe, ihn zu verstehen, sondern am heute real existierenden in unserer Gesellschaftsordnung integrierten organisierten Christentum, ähnlich dem Argwohn, den früher überzeugte Kommunisten dem real existierende Sozialismus in der DDR und auch in anderen Ländern entgegen brachten. Für viele ist das sicher sehr erklärungsbedürftig, aber wir sind ja noch in der Einleitung. Feinheiten kommen später.
Nun gibt es nicht wenige Gläubige, die den Zweifel grundsätzlich als etwas „von bösen Geistermächten“ Eingehauchtes sehen. Schädlich, ja, zerstörerisch gar. Wäre Letzteres, also der destruktive Charakter des Zweifels, auch meine Befürchtung, wäre ich sicher vorsichtiger mit dem Äußern meiner Gedanken. Ich hoffe aber inbrünstig, deutlich machen zu können, dass Zweifel ein wesentlicher Bestandteil des Denkens und Forschens sind. Glaube ohne Zweifel produziert gedankenloses Abnicken, bedingungslose Anpassung. Das hat dann aber nichts mit glauben im Sinne von vertrauen zu tun.
Zwei Zitate aus der Bibel seien mir erlaubt: Sie ( die Beröer)nahmen das Wort mit großer Bereitschaft auf und forschten Tag für Tag in den Schriften, ob es sich so verhalte. Apostelgeschichte 17:12
Wenn jemand unter euch in Gottes Auftrag prophetisch redet, dann geht damit nicht geringschätzig um. Prüft jedoch alles und behaltet das Gute! 1.Thessalonicher 5: 20,21
Prüfen heißt: hinterfragen und darüber nachdenken. Es steckt im Wort Zweifel nicht allzu sehr verborgen: etwas von mindesten zwei Seiten zu betrachten. Wenn ich ein Möbel nach einem vorgefertigten Entwurf bauen soll, genügt es nicht, mir die Frontalansicht zu präsentieren. Ich muss auch wissen, wie das Ding von oben und von der Seite aussehen soll und welche Abmessungen es hat.
Damit komme ich nochmal zurück zu den segnenden Herr- und Damschaften im Büro des Herrn; Trumps nämlich. Sie wurden im Bericht als „Evangelikale“ bezeichnet. Dieser Begriff wird oft auch als zusätzliche Definition für Christen gebraucht, was den Eindruck vermittelt, es gäbe verschiedene Arten von Christen, also evangelikale und andere. Allerdings dient im Grunde ja jeder Christ dem Evangelium, was eine solche Benennung eigentlich überflüssig macht.
Nun werden Nachfolger Jesu des ersten Jahrhunderts in der Bibel als eine Einheit beschrieben, so sehr eins, dass sie nicht nur in einem Gedankengang vereint sein sollten, sondern dass sie als Gemeinschaft zu einem Teil des Leibes Christi werden, also im Idealfall in völliger Harmonie mit ihrem himmlischen Haupt oder Gehirn fühlen, denken und handeln. Die Einheit geht dabei von ihm aus, ist also nicht von einer „Kirche“ oder anderen organisatorischen Konstrukten verordnet.
Ihre Beziehung zum Staat war so, dass der Apostel Paulus ihnen schrieb: Denn unser Bürgerrecht (FN: o. Gemeinwesen; oder Staat, worin man Bürgerrecht hat)ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Retter erwarten, Philipper 3:20
Und: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Hebräer 13.14
Trumps Elite-Pastoren wissen es sicher nicht, aber sie haben mir einen guten Dienst erwiesen, denn sie sind der ideale Einstieg in das Thema, das schon lange in mir rumort. Es geht um einen Text in der Offenbarung, der schon viele Ausleger seit Jahrhunderten beschäftigt hat: „Geh aus ihr hinaus. mein Volk!“. Von wo hinaus? Und wohin denn dann? Und wer ist denn nun genau mit diesem Volk gemeint?
Kann ich mich dieser Frage nähern, ohne den Anspruch ein kompetenter Theologe zu sein, der weiß, wovon er spricht? Bin ich nämlich nicht. Aber ja: Ich kann. Als fragender und suchender Zweifler, der nicht zweifelt, um abzulehnen, sondern um konstruktiv auf das Ziel hinzuarbeiten, eine befriedigende Antwort zu finden. Als naiv glaubender und forschender Laie habe ich die beglückende Freiheit, keinem wie auch immer gearteten Wahrheitsanspruch gerecht werden zu müssen.
Eine fragende Haltung beim Schreiben birgt die Chance, dass sich potenzielle Leser mit einschlägigen Kenntnissen zum Antworten provoziert fühlen. Es kann auch sein, und das hoffe ich noch mehr, dass ich nicht der einzige bin, den diese Fragen bewegen, und dass daraus ein geistiger Suchtrupp entsteht. Eine Sache unvoreingenommen von verschiedenen Seiten zu betrachten, ist – selbst für mich als Zweifler zweifellos - ein guter Weg zu einem besseren Verständnis.
Ich habe es schon erlebt, dass hilfreich sein wollende Personen mir ein in ihrer Gruppe festgelegtes Glaubensbekenntnis um die Ohren gehauen haben. Freundlicher ausgedrückt: sie versuchten, mir einen Weg zu zeigen, wie ich auf einem tragfähigen Fundament vertrauensvoll ein stabiles Gebäude errichten kann, das mir gleichzeitig als Heimat und als ausbaufähige Forschungsstation dienen kann. Und, was noch wichtiger ist, dieses Fundament, das sie mir anboten, war keine hastig dahin gegossene, sondern eine über Generationen gewachsene Plattform, die vielen Menschen als gemeinsame Basis für ihr Glaubensleben diente. Wenn diese Masse sich in Bewegung setzt, muss man nur mittendrin sein, und wird so ohne viel Anstrengung mitgezogen. Das heißt, wohin die Wolke geht, muss das gemeinsame Ziel sein. Das muss nicht verkehrt sein. Es ist mir nicht verborgen geblieben, dass im Schulterschluss vieles erreicht werden kann, wo der Einzelne scheitern muss.
Es ist eine Möglichkeit von vielen, Volksempfinden und ein sinnvolles Leben in Einheit zu leben. Aber das ist wohl mein Problem: Vertrauen auf Gott und Jesus kann ich nicht einfach auf die Ausrichtung der Masse übertragen, also mitlaufen, ohne weiter darüber nachzudenken. Mag sein, dass die Voraussetzungen im ersten Jahrhundert andere waren als heute, weil die Versammlung als Ganze, also nicht nur eine bestimmte an einem einzelnen Ort, erkennbar durch den Heiligen Geist gegründet und aufgebaut worden war. Mit Verantwortlichkeiten ausgesuchter Personen, die aufgrund besonderer Geistesgaben verteilt waren. In der Zwischenzeit ist aber einiges geschehen in der Menschheitsgeschichte, was sich auch auf das ausgewirkt hat, was man heute „Kirche“ nennt. Ich jedenfalls kann das damals gut begründete Vertrauen in die Gemeinschaft nicht auf das heute gesellschaftlich mehr oder weniger anerkannte Christentum übertragen. Daher sind die oben genannten Präsidentensegner ein Beispiel, das mehr besagt als tiefschürfende Erklärungsversuche.
Einfach ausgedrückt: Ich glaube nicht, dass überall wo „christlich“ draufsteht, auch unverfälscht Christliches enthalten ist. Wenn beispielsweise Hunderte oder gar Tausende zusammenkommen, um einem Redner zu lauschen, dem es gelingt, mit geschickter Rhetorik die Menge an den richtigen Stellen zum Applaudieren zu bringen, dann setze ich mich vorsichtshalber erst mal auf meine Hände, um zu vermeiden, dass sie sich losgelöst von meinem Verstand selbstständig machen. Falls ich überhaupt an einer solchen Veranstaltung teilnehme. Kann aber vorkommen. Ist es auch schon. Auch das unvorsichtige Klatschen.
Für solche Fälle umsichtigen Zweifelns hat Jesus ein gutes Medikament verordnet: Einsamkeit. Ins Kämmerlein gehen, die Tür hinter sich schließen, und sich mit dem in Verbindung setzen, der Suchenden ein Belohner ist. Hebräer 11:6
Wenn du aber betest, so geh in deine Kammer, und wenn du deine Tür geschlossen hast, bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist! Und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten. Matthäus 6:6
Das ist natürlich kein Argument gegen das Beten in Gemeinschaft. Aber wenn man mit sehr viel offensichtlichem Unsinn konfrontiert wird, dann ist es einfach notwendig, sich ein eigenes Bild zu machen, ehe man abnickt, was angeblich kompetente Personen einem vorsetzen. Ich schreibe hier nicht über akademisch tiefgründigen Grundsatzzweifel, sondern von ganz persönlichen Erfahrungen, aus denen ich hoffentlich gelernt habe.
Ein gern gebrauchtes Mittel, um Konformismus zu produzieren (provozieren?) ist der Begriff der Einheit, darum möchte ich mich diesem Punkt mit einer gesunden Mischung aus Zustimmung und Vorsicht zuwenden.
Nachschlag und ...
Was ich hier über das Szenario im Trumpschen Office geschrieben habe ist natürlich überholt, und wird in unserer schnelllebigen Zeit sicher sehr schnell im Bereich süßen Vergessens versiegen. Ich möchte es aber nicht durch irgend eine andere Anekdote ersetzen, nur weil es nicht mehr aktuell ist. Es steht für mich exemplarisch für etwas, das ich für missverstandenes Christentum halte, weil ich in diesem Verständnis Gottes nicht die Worte Jesu wiederfinde, dass er seine Nachfolger aus der Welt herausgeholt hat. Ich bin überzeugt, man wird das auch noch nach Jahren herzhaft googelnd im Netz finden, wenn man es möchte.
...wie geht's weiter?
Soweit also das erste Kapitel. Ich will nicht vorgreifen und zu viele Worte darüber verlieren, worauf das alles hinauslaufen soll. Nur eins vielleicht: es
wird im weitesten Sinne immer um die eindringliche Aufforderung gehen, aus einem metaphorischen Babylon zu verschwinden. Im Sinne der Selbsterhaltung. Und ich will mich darum bemühen, alle
Deutungsversuche, die mein Denken und Suchen beeinflusst haben, zu ignorieren, und stattdessen die Worte frei auf mich wirken zu lassen. Mal sehen, ob das funktioniert. Danke erstmal für das
Interesse. Hier also das zweite Kapitel.